
Auftaktveranstaltung des Zentrums für Kunst- und Kulturrecht
Am 27. Mai öffnete das Zentrum für Kunst- und Kulturrecht an unserer Fakultät feierlich seine Pforten, und zwar mit einer Diskussion unter dem Titel „Graffiti: Kunst oder Kriminal?“
Das Zentrum für Kunst- und Kulturrecht unter der Leitung von Bernd Wieser ist nun offiziell am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaften an der Universität Graz angesiedelt. Antonia Bruneder, Juristin und Mitinitiatorin des Zentrums, erklärt: „Durch meine berufliche Erfahrung beim größten Konzertveranstalter der Steiermark, dem Musikverein Graz, sowie meine Forschungstätigkeit im Bereich der Popularmusikforschung wird das Zentrum auch einen starken Fokus auf interdisziplinäre Fragestellungen im Musikrecht legen“. Das Zentrum wird mit seinem interdisziplinären Ansatz einen einzigartigen Schwerpunkt in Österreich setzen.
„Wir möchten mit diesem Zentrum nicht nur ein Forum für juristische und kulturelle Fragestellungen bieten, sondern auch eine Plattform für den Dialog zwischen Kunst, Recht und Gesellschaft schaffen“, so Bruneder weiter. Dieser interdisziplinäre Ansatz wurde bei der Podiumsdiskussion zum Thema Graffiti deutlich: Die Teilnehmer:innen aus unterschiedlichen Fachbereichen brachten ihre Expertise ein, diskutierten über die Grenzlinie zwischen Kunst und Sachbeschädigung und boten spannende Ansätze für kontroverse Debatten. Unter der Moderation von Antonia Bruneder diskutierten:
• Philo Jöbstl, Graffitikünstler, der die kreative Dimension von Graffiti und dessen kulturellen Wert hervorhob.
• Roman Hahslinger, Konzernbeauftragter für Security der ÖBB, der die Sicherheitsaspekte und die Auswirkungen von Graffiti auf die Infrastruktur der ÖBB erläuterte.
• Rainer Beck, Rechtsanwalt und Altstadtanwalt, der auf die juristischen Herausforderungen einging, die Graffiti in urbanen Zentren mit sich bringt.
• Hannes Schütz, Leiter des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Graz, der die strafrechtlichen Dimensionen von Graffiti und die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen darstellte.
Blick in die Zukunft
Mit dem Zentrum für Kunst- und Kulturrecht setzt die Universität Graz einen wichtigen Schritt, um eine fundierte Auseinandersetzung mit den rechtlichen Aspekten von Kunst und Kultur zu fördern. Die Eröffnung war ein großer Erfolg und unterstrich die Bedeutung, die das Zentrum als Anlaufstelle für rechtliche und kulturelle Fragestellungen in Österreich haben wird.
Popmusik und Populismus im Wahlkampf
Pünktlich vor der Landtagswahl im November 2024 lud Univ.- Ass. Dr. Antonia Bruneder interessante Gäste zur Diskussion.

Dass populistische Strömungen national und international auf dem Vormarsch sind, lässt sich nicht mehr leugnen. Häufig nutzen diese Gruppierungen bestimmte Symbole für ihre Zwecke. Nicht selten wird dabei auch Musik eingesetzt. Ein Beispiel dafür ist das Lied „I am from Austria“ von Reinhard Fendrich, das die Freiheitliche Partei regelmäßig, begleitet von einem Meer an Österreichfahnen, für ihre Zwecke nutzte, bis der Künstler dies untersagte.
Inwieweit der Populismus die Popmusik für sich instrumentalisiert, welche Rolle die Musik in der Politik und umgekehrt die Politik in der Musik spielt und wie die Gesellschaft damit umgehen kann, diskutierte Univ.-Ass. Dr. Bruneder mit hochkarätigen Gästen. Als Politikwissenschaftlerin nahm Dr. Hedwig Unger am Podium Platz. Die Musikwissenschaft war durch Univ.-Prof. Dr. Andre Doehring, M.A. vom Institut für Jazz- und Popularmusikforschung vertreten. Um nicht nur über Künstler zu sprechen, sondern auch mit ihnen zu sprechen, komplettierte der Granada Frontmann und Amadeus Musicaward-Preisträger Thomas Petritsch das Podium.

„Die Kinderbuchaffäre“
Am 15.5.2023 begrüßte Univ.-Prof. DDr.Dr. h.c. Bernd Wieser rund 100 Gäste sowie die Drag Queen Freya van Kant zu einem interdisziplinären Dialog zum Thema „Die Kinderbuchaffäre?
Gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Christoph Bezemek, B.A., LL.M. (Rechtswissenschaften), Univ.-Prof. Dr.phil. André Doehring M.A. (Jazz- und Popularmusikforschung) und unter Moderation von Mag. Antonia Bruneder, BA wurden die aktuellen Geschehnisse rund um die Kinderbuchlesung der Drag Queen in Wien diskutiert.
Auf Einladung und unter Moderation von Antonia Bruneder und begrüßt von Dekanin Gabriele Schmölzer diskutierten Künstler und Expert*innen über Gangsta-Rap, sein Verhältnis zum (Verfassungs-)Recht und die Wirkungen, die er in der Gesellschaft entfaltet. Das Publikum im maximal ausgelasteten Sitzungszimmer unserer Fakultät lauschte gespannt.
Häng‘ grad im Ritz mit Karl Lagerfeld rum / Wer mich disst, ist entartete Kunst
(K.I.Z, 2013)

Die Kunstfreiheit ist als besonders geschützte Ausprägung der Meinungsäußerungs- bzw. Kommunikationsfreiheit ein wesentlicher Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Eine Unterteilung in gute und schlechte, in wertvolle und wertlose Kunst steht dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht zu. Was aber, wenn die Kunstfreiheit solcherart gebraucht wird, dass in Schrift, Musik und/oder Videos Personen oder Gruppen abgewertet, (sexuelle) Gewalt angedroht oder detailliert beschrieben und Drogenkonsum verherrlicht werden? Was ist rechtlich, was ethisch, was journalistisch bzw. kuratorisch geboten, wenn künstlerische Inhalte mit anderen Werten in Konflikt geraten? All das besprachen Antonia Bruneder (REWI Uni Graz), Rapper Al Pone, Musiker Peter Jeidler/P.TAH, Rainer Springenschmid (FM4) und Theresa Zuegg (Frauenhäuser Steiermark) am 11. März 2024 in einer interdisziplinären Podiumsdiskussion.
Antonia Bruneder eröffnete mit einem rechtlichen Überblick über den Schutzbereich der Kunstfreiheit: Im weiten Rahmen des Art. 17a StGG habe seit nunmehr 40 Jahren Vieles, ja fast alles Platz. Das gelte auch für viele Inhalte im Hip-Hop, die dem deutschsprachigen Gangsta-Rap zugeschrieben werden, der in unseren Breiten seit Jahren die Hitlisten dominiert. Die während Bruneders Vortrag eingeblendeten Sujets der Kampagne #UNHATEWOMEN, die gewaltverherrlichende Textzeilen wiedergaben, und einige wörtlich vorgetragene Inhalte (die hier im Übrigen gerade nicht zitiert werden!) illustrierten die Problematik derart, dass sich ein körperlich spürbares Unwohlsein im Publikum einstellte – soll hier also der Staat mit Imperium einschreiten? Nein, meinte Bruneder, der Kunstbegriff müsse vielmehr auch auf die nichtmusikalische Performance von Gangsta-Rappern angewendet werden, sei es auf Social Media oder im Gerichtssaal. Nach ihren rechtlichen Ausführungen leitete sie in die Diskussion über, die neben Inputs aus der Künstlersicht auch solche aus dem Radiogeschäft und der Gewaltpräventionsarbeit bot.
Man war sich grundsätzlich einig: Die Kunstfreiheit ist weit auszulegen, und das ist gut so. Das bedeute aber noch lange nicht, dass frauenverachtende, gewaltverherrlichende oder sonst menschenfeindliche Texte auch im Radio gespielt werden müssten. Gehört werden sie jedenfalls, wie die einschlägigen Playlists und Charts belegen.
Es dreht sich alles ums Image wie bei Popmusik / Das ist so lange sweet bis irgendwer 'n Kopfschuss kriegt! (Curse, 2005)
Für Core-Interpreten im österreichischen Rap wie Al Pone und P.TAH klingt das, was sich dort abspielt, jedoch eher wie „Schlager-Rap“, also wohl im Verständnis des Künstlers belanglos. Beide Rap-Interpreten konnten sich im Bezug auf sexuelle Gewalt in Raptexten qualitativ überhaupt nicht erklären, wie (O-Ton) „solch ein Schmutz überhaupt in die Charts kommt“. Die Musikindustrie habe aber erkannt, dass sich Brachialprovokation gut verkaufe, weshalb Interpreten auch maßgeschneiderte Gangsta-Images und dazu passende Texte verpasst bekämen. Das gewaltbereite lyrische Ich habe hier aber rein gar nichts mit den lieben, 17-jährigen Buben zu tun, die diese Texte wiedergeben, aber betreten auf den Boden schauten, wenn man sie anspräche. Überbordende Ermittlungsarbeit der Behörden gegen Rapper nur aufgrund von Textzeilen oder eines gepflegt zwielichtigen Rufs einer Kunstfigur seien jedoch kategorisch abzulehnen. Ein (echter) Polizeieinsatz im eigenen Musikvideo sei andererseits nicht zu verachten.
Theresa Zuegg wiederum gab einen Einblick in die Arbeit mit Jugendlichen im Projekt „Rap! Not Rape“, in dessen Rahmen Beziehungsgewalt mit Hilfe von Hip-Hop bearbeitet wird. Es ginge hier vor allem darum, nicht belehrend aufzutreten, sondern der Zielgruppe eine kritische Auseinandersetzung mit Gangsta-Rap und seinen Inhalten zu ermöglichen, und zwar auf Augenhöhe. Gerade die gemeinsame Arbeit mit Texten beliebter Interpreten sei hier ein vielversprechendes Mittel.
Rainer Springenschmid steuerte die Perspektive des Radiomachers bei. Eine Redaktion sei in ihrer Einschätzung, welche Musik zu welcher Uhrzeit und in welchem Umfang zu spielen sei, jedenfalls ebenso frei wie Rapper beim Verfassen ihrer Lyrics. Den Auftritt von RAF Camora auf der FM4-Bühne am Donauinselfest habe man – vor allem wegen seiner Verbindungen zu Bonez MC und damit zur 187 Strassenbande, die immer wieder einschlägig mit dem Gesetz in Konflikt gerät – jedenfalls kontrovers diskutiert. Man habe sich letztendlich für einen Gig des Interpreten entschieden, jedoch eingebettet in eine Dokumentation über sein Leben und Schaffen. Solche Kontextualisierungen seien etwa auch im „HipHop Lesekreis“ Mittel der Wahl, weshalb hier auch Tracks gespielt würden, die aufgrund ihrer Lyrics im normalen Programm von FM4 nicht laufen.
Auch das Publikum beteiligte sich an der regen Diskussion, etwa mit der Frage, ob Interpreten beim Verfassen ihrer Lyrics eigentlich an die Zielgruppe – v. a. Kinder und Jugendliche – dächten, was aktuelle problematische Inhalte von früheren Skandalen wie Falcos „Jeanny“ unterscheide, und wieso neben Drogen und Straßenkriminalität gerade Gewalt gegen Frauen als Stilmittel vorkäme, denn das könne doch niemand ernsthaft cool finden.
Hip-Hop ist ein Spiegel der Gesellschaft / Und darin sieht man halt schei*e aus, / Wenn man das weibliche Geschlecht hat (Edgar Wasser, 2014)
In der Schlussrunde war man sich im Bezug auf diese Fragen erneut einig: Hip-Hop sei eingebettet in soziale Phänomene und dementsprechend ein Spiegel der Gesellschaft – einer Gesellschaft nämlich, in der auch Gewalt gegen Frauen immer noch zu weit verbreitet ist, und das ganz sicher nicht nur aufgrund von Raptexten.
Einen Audiomitschnitt von Radio Helsinki finden Sie hier.
Antonia Bruneders Dissertation "Kunstfreiheit und Gangsta Rap" erschien im Verlag Österreich (Link).
(Bericht: Gregor Fischer-Lessiak)